Die FINMA hat auf den 1. Januar 2018 eine Revision ihres Rundschreibens 2008/3 “Publikumseinlagen bei Nichtbanken“ in Kraft gesetzt. Im revidierten Rundschreiben präzisiert die FINMA die vom Bundesrat per 1. August 2017 angepassten Bestimmungen der Bankenverordnung (“BankV“) zur Entgegennahme von Publikumseinlagen. Wie wir bereits in einem früheren Beitrag berichtet haben, legte der Bundesrat im Rahmen dieser Anpassung der BankV fest, dass die Entgegennahme von Einlagen zu Abwicklungszwecken keine Bewilligungspflicht als Bank nach sich zieht, wenn die Abwicklung innerhalb von 60 Tagen erfolgt. Weiter wurde vom Bundesrat auch geregelt, dass die Entgegennahme von Publikumseinlagen bis zu einem Betrag von CHF 1 Mio. unter gewissen Bedingungen nicht mehr als gewerbsmässig gilt und folglich ebenfalls ohne Bewilligung als Bank möglich ist (sog. Sandbox). Im revidierten Rundschreiben der FINMA werden diese beiden Ausnahmetatbestände nun noch detaillierter geregelt.

1. Ausnahme in Bezug auf Abwicklungskonten

Der vom Bundesrat revidierte Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV hält seit dem 1. August 2017 fest, dass Einlagen bzw. Habensaldi auf Konten von Effektenhändlern, Edelmetallhändlern, Vermögensverwaltern oder ähnlichen Unternehmen nicht zu einer Bewilligungspflicht als Bank führen, wenn:

  • – die Einlagen einzig der Abwicklung von Kundengeschäften dienen;
  • – dafür kein Zins bezahlt wird; und
  • – (abgesehen von Einlagen auf Konten von Effektenhändlern) die Abwicklung innert 60 Tagen erfolgt.

Effektenhändler

Für Einlagen auf Konten von Effektenhändlern findet die Abwicklungsfrist von maximal 60 Tagen bereits nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV keine Anwendung. Dies wird im revidierten Rundschreiben der FINMA noch einmal wiederholt. Für Effektenhändler ist somit weiterhin die bisherige Praxis der FINMA massgebend, welche für die Abwicklung von Kundengeschäften keine konkrete, in einer bestimmten Anzahl Tagen bemessene Frist vorsieht. Die FINMA geht davon aus, dass der Anlegerschutz bei Effektenhändlern wegen der ohnehin bestehenden Aufsicht besser gewährleistet ist und deshalb auf die Festlegung einer starren Frist verzichtet werden kann.

Edelmetallhändler

Die bisherige Praxis der FINMA sah vor, dass Habensaldi auf Konten bei einem Edelmetallhändler dann nicht als Einlagen gelten, wenn dieser über das Edelmetallguthaben seiner Kunden physisch verfügt und den Kunden im Konkurs des Händlers das Recht zukommt, ihr Edelmetallguthaben auszusondern. In Fällen hingegen, in welchen das Edelmetall lediglich einen Referenzwert für einen geldwerten Rückzahlungsanspruch der Kunden darstellt, verneinte die FINMA die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV und schloss auf eine Bewilligungspflicht als Bank.

An dieser Praxis soll auch unter dem revidierten Rundschreiben festgehalten werden. Im revidierten Rundschreiben wird so explizit festgehalten, dass sich ein Edelmetallhändler auf die Ausnahme für Abwicklungskonten nur dann berufen kann, wenn er physisch über das Edelmetallguthaben seiner Kunden verfügt und den Kunden im Konkurs des Händlers ein Aussonderungsrecht zusteht. Dort, wo es sich beim Edelmetall hingegen lediglich um einen Referenzwert für einen geldwerten Rückzahlungsanspruch des Kunden handelt, findet die Ausnahme weiterhin keine Anwendung. In diesem Fall – d.h. wenn der vermeintliche “Edelmetallhändler“ gar nicht physisch Edelmetall erwirbt – fehlt es bereits an der in Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV aufgeführten Voraussetzung, dass die Einlage der Abwicklung eines Kundengeschäfts dienen muss.

Das revidierte Rundschreiben hält weiter fest, dass Edelmetallhändler, die über das Edelmetallguthaben ihrer Kunden physisch verfügen, durch die Frist von 60 Tagen „nicht eingeschränkt“ werden. Die FINMA geht somit davon aus, dass Habensaldi auf Konten bei einem Edelmetallhändler auch dann nicht zu Publikumseinlagen werden, wenn sie länger als 60 Tage bestehen. Anders als man auf den ersten Blick meinen könnte, dürfte aus der Formulierung im revidierten Rundschreiben aber nicht abzuleiten sein, dass für Edelmetallhändler überhaupt keine nach Anzahl Tagen bemessene Abwicklungsfrist besteht. Ein Edelmetallhändler muss das Kundengeschäft somit auch nach dem revidierten Rundschreiben spätestens innerhalb von 60 Tagen abwickeln, sodass er nach dem Ablauf dieser Frist physisch über ein Edelmetallguthaben verfügt, welches im Konkurs aussonderbar wäre. Tut er dies, stellen die betreffenden Habensaldi auf den Konten seiner Kunden keine Publikumseinlagen dar. Für den Fall hingegen, dass der Edelmetallhändler davon absieht, innerhalb von 60 Tagen physisch Edelmetall zu erwerben, liegen indes Publikumseinlagen vor, die bei einer gewerbsmässigen Tätigkeit des Händlers zu einer Bewilligungspflicht als Bank führen. Die Regelung für die Edelmetallhändler unterscheidet sich in diesem Punkt von der Regelung für die Effektenhändler, für welche das revidierte Rundschreiben gar keine nach Anzahl Tagen bemessene Abwicklungsfrist besteht (vgl. dazu vorstehend).

Devisenhändler und Kryptowährungshändler

Das klassische Geschäftsmodell eines Devisenhändlers besteht darin, dass er auf einem Sammelkonto, das auf seinen Namen lautet, Einlagen von Kunden entgegennimmt. Die Kunden erteilen ihm in der Folge Handelsaufträge, die er über verschiedene ebenfalls auf seinen Namen lautende Währungskonten abwickelt. Die Kunden haben gegenüber dem Devisenhändler lediglich einen obligatorischen Anspruch auf Rückerstattung des Geldes in der jeweiligen Währung bzw. zum entsprechenden Wechselkurs. Im Falle eines Konkurses des Devisenhändlers geniesst dieser Anspruch kein Privileg.

Nach der bis zum 1. April 2008 geltenden Fassung von Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV fand die Ausnahme für Abwicklungskonten auch noch auf Devisenhändler Anwendung. Nachdem es zuvor zu einer Reihe von Beschwerden über das Geschäftsgebaren von Devisenhändlern ohne Bankenlizenz wegen mangelnder Risikoaufklärung, fehlender Transparenz und hohen Verlusten gekommen war, entschied der Bundesrat die Ausnahme für Devisenhändler auf den 1. April 2008 ersatzlos zu streichen.

Vor diesem Hintergrund wird im revidierten Rundschreiben quasi “pro memoria“ darauf hingewiesen, dass sich Devisenhändler, die für ihre Kunden Konten zur Anlage in unterschiedlichen Währungen führen, nicht auf die Ausnahme gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV berufen können. Einlagen von Kunden bei Devisenhändlern gelten folglich immer als Publikumseinlagen. Daher bedürfen Devisenhändler bei einer gewerbsmässigen Tätigkeit auch stets einer Bankenbewilligung.

Im Rahmen der Anhörung zum Entwurf für das revidierte Rundschreiben wurde angeregt, dass Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV zumindest für Kryptowährungshändler anwendbar erklärt werden sollte. Diesem Anliegen ist die FINMA nicht gefolgt. Im revidierten Rundschreiben wird vielmehr klargestellt, dass sich auch Kryptowährungshändler nicht auf die Ausnahme berufen können, wenn sie eine unter Berücksichtigung des Anlegerschutzgedankens mit der Devisenhändlertätigkeit vergleichbare Tätigkeit ausüben. Ob dies der Fall ist, wird von der FINMA einzelfallweise geprüft.

Geschäftsmodelle mit Weiterleitungscharakter wie Crowdfunding, Money Transmitting und Inkasso

Im revidierten Rundschreiben wird weiter auch spezifiziert, dass Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV auch auf Geschäftsmodelle mit Weiterleitungscharakter wie beispielsweise das Crowdfunding, das Money Transmitting und das Inkasso Anwendung findet. Dass auch das Eingehen der Verpflichtung zur Weiterleitung einer Zahlung an einen Dritten eine Publikumseinlage darstellen kann, ist nicht ohne weiteres selbsterklärend. Bei Geschäftsmodellen mit Weiterleitungscharakter geht der Kunde – je nach Geschäftsmodell – nämlich nicht zwingend davon aus, dass er eine Rückzahlung erhält. In diesem Punkt unterscheiden sich die Geschäftsmodelle mit Weiterleitungscharakter vom Geschäftsmodell einer “klassischen“ Bank, die Spareinlagen entgegennimmt. Wenn der Kunde einem Money Transmitter Geld übergibt, erwartet er beispielsweise nicht, dass er dieses zurückerhält, sondern dass es an den von ihm bezeichneten Dritten überwiesen wird. Dasselbe gilt für den Kunden einer Crowdlending-Plattform. Dieser vertraut ebenfalls nicht darauf, dass er das Geld von der Plattform zurückerhält, sondern dass diese das Geld an den Kapitalsuchenden weiterleitet. In der Lehre ist vor diesem Hintergrund bis anhin denn auch überwiegend die Meinung vertreten worden, dass Crowdlending-Plattformen keine Publikumseinlagen entgegennehmen. Entsprechend wurde die Anwendung von Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV auf sämtliche Geschäftsmodelle mit Weiterleitungscharakter in der Anhörung zur Revision des Rundschreibens auch kritisiert. Dennoch hat die FINMA in der finalen Fassung des Rundschreibens festgehalten, dass Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV auch Geschäftsmodelle mit Weiterleitungscharakter erfasst. Demnach gelten die Weiterleitungsverpflichtungen des Anbieters eines solchen Geschäftsmodells als Einlagen, wenn innerhalb von 60 Tagen keine Weiterleitung stattgefunden hat.

Dies bedeutet nun allerdings noch nicht, dass die Betroffenen die FINMA zwingend um eine Bankenbewilligung ersuchen müssen, wenn sie die entgegengenommen Einlagen nicht innerhalb von 60 Tagen weiterleiten. Auch bei Geschäftsmodellen mit Weiterleitungscharakter liegt nämlich keine gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen vor, wenn die Einlagen weniger als CHF 1 Mio. betragen und die weiteren Voraussetzungen der Sandbox-Ausnahme eingehalten werden (vgl. dazu nachfolgend). Auch wer ein Geschäftsmodell mit Weiterleitungscharakter betreibt, kann sich somit auf die “Freigrenze“ von CHF 1 Mio. berufen, wenn er die Einlagen weder anlegt noch verzinst und die Kunden vorgängig darüber informiert, dass er keiner Aufsicht durch die FINMA untersteht und die Einlagen nicht von der Einlagensicherung erfasst werden. Die Berufung auf diese “Freigrenze“ kann insbesondere für Money Transmitter relevant werden, die unter Umständen in die Lage kommen, dass sie die entgegengenommen Gelder nicht an den Empfänger weiterleiten, aber auch nicht an den Kunden zurücktransferieren können, weil kein Kontakt mehr mit diesem besteht (und auch nicht wiederhergestellt werden kann).

2. Sandbox-Ausnahme

Art. 6 Abs. 2 BankV hält seit dem 1. August 2017 fest, dass nicht gewerbsmässig handelt und folglich keiner Bewilligung als Bank bedarf, wer:

  • – Publikumseinlagen von gesamthaft höchstens CHF 1 Mio. entgegennimmt;
  • – die Publikumseinlagen weder anlegt noch verzinst; und
  • – die Einleger, bevor sie die Einlage tätigen, schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, darüber informiert, dass er von der FINMA nicht beaufsichtigt und die Einlage nicht von der Einlagensicherung erfasst wird.

Einschränkung des Anlage- und Verzinsungsverbots bei Einlagen zur Finanzierung einer gewerblich-industriellen Tätigkeit

Nach Art. 6 Abs. 2 BankV ist die Sandbox-Ausnahme nur anwendbar, wenn die entgegengenommenen Publikumseinlagen weder angelegt noch verzinst werden. Dieses Anlage- und Verzinsungsverbot gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Personen, die einer gewerblich-industriellen Haupttätigkeiten nachgehen und die Einlagen für die Finanzierung dieser Tätigkeit verwenden, handeln gemäss Art. 6 Abs. 3 BankV selbst dann nicht gewerbsmässig, wenn sie die Einlagen anlegen und verzinsen. Die BankV sieht mit anderen Worten eine Zweiteilung vor: Wenn der Rückzahlungsschuldner eine gewerblich-industrielle Haupttätigkeit ausübt, darf er die entgegengenommenen Einlagen anlegen und verzinsen. Für den Fall, dass er keine solche Tätigkeit entfaltet, ist ihm die Anlage und Verzinsung der Einlagen ohne Bankenbewilligung hingegen verboten.

Im Rahmen der Anhörung zum revidierten Rundschreiben ist von verschiedenen Anhörungsteilnehmern gefordert worden, dass sich auch im Finanzbereich tätige Unternehmen über die Sandbox finanzieren können sollten. Geltend gemacht wurde insbesondere, dass Unternehmen, die einer gewerblich-industriellen Tätigkeit nachgehen, andernfalls bevorzugt behandelt werden. In der Tat kann man sich fragen, ob eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Denn das Ausfallrisiko ist bei einem Start-up im Finanzbereich nicht per se grösser als bei einem Start-up, das einer gewerblich-industriellen Tätigkeit nachgeht. Aufgrund des klaren Wortlauts von Art. 6 Abs. 3 BankV bestand aus Sicht der FINMA aber keine Möglichkeit, das Anlage- und Verzinsungsverbot für Rückzahlungsschuldner, die keiner gewerblich-industriellen Haupttätigkeit nachgehen, auf Ebene des Rundschreibens aufzuweichen.

Nach Art. 6 Abs. 3 BankV ist die Einschränkung, dass die Einlagen weder angelegt noch verzinst werden dürfen, bei einer gewerblich-industriellen Haupttätigkeit nur dann nicht anwendbar, wenn die Einlagen für die Finanzierung eben dieser Tätigkeit verwendet werden. Ein Unternehmen, das einer gewerblich-industriellen Tätigkeit nachgeht und die entgegengenommenen Einlagen verzinsen will, ist in der Verwendung der Einlagen somit nicht völlig frei. Im revidierten Rundschreiben wird hierzu konkretisierend festgehalten, dass Investitionen mit den entgegengenommen Einlagen in Finanzanlagen und -instrumente zumindest im Grundsatz ausgeschlossen sind. Ausnahmsweise – etwa wenn ein Unternehmen im Rahmen einer gewerblich-industriellen Tätigkeit mit Finanzinstrumenten Währungsrisiken absichert – kann eine solche Investition allerdings dennoch zulässig sein. Die FINMA klärt die Zulässigkeit der Verwendung von Einlagen für Investitionen in Finanzanlagen und -instrumente bei einer gewerblich-industriellen Tätigkeit einzelfallweise ab.

“Separierung“ der Einlagen

Aus dem Erfordernis, dass die Einlagen gemäss Art. 6 Abs. 2 BankV weder angelegt noch verzinst werden dürfen, ergibt sich nach Ansicht der FINMA weiter, dass die entgegengenommenen Gelder bis zur Rückzahlung oder Weiterleitung dauernd und liquide verfügbar sein müssen. Dementsprechend wird im revidierten Rundschreiben festgehalten, dass solche Gelder aus Transparenzgründen nicht auf den üblichen Geschäftskonten des Rückzahlungsschuldners gehalten werden dürfen, sondern für das Halten der Einlagen ein davon getrenntes Bankkonto einzurichten ist. Im Konkurs des Rückzahlungsschuldners besteht aufgrund dieser “Separierung“ der Einlagen allerdings kein besonderer Schutz.

Information der Einleger

Nach Art. 6 Abs. 2 BankV sind die Einleger im Rahmen der Sandbox-Ausnahme schriftlich oder in einer anderen Form, welche den Nachweis durch Text ermöglicht, darüber zu informieren, dass keine Aufsicht der FINMA und keine Einlagensicherung besteht. Das revidierte Rundschreiben hält hierzu einerseits fest, dass die Information der Einleger spätestens im Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts erfolgen muss. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Kunde bereits im Zeitpunkt der Willensbildung bzw. des Vertragsschlusses und nicht erst bei der Überweisung der Einlage über die relevanten Informationen verfügt.

Andererseits wird im revidierten Rundschreiben auch vorgegeben, dass die Einleger “individuell“ zu informieren sind. Ein blosser Hinweis in den AGB genügt diesen Anforderungen nach dem Wortlaut des Rundschreibens nicht. Die FINMA scheint somit davon auszugehen, dass die fehlende Aufsicht und Einlagensicherung den Einlegern isoliert von anderen Informationen zur Kenntnis gebracht werden muss. Wenn dieses Erfordernis erfüllt ist, kann die Information aber auch über eine Website erfolgen, beispielsweise über ein separates Pop-up-Fenster, wobei der Kunde die Kenntnisnahme des Inhalts dieses Fensters ausdrücklich bestätigen muss.