Vom bestehenden zum neuen Recht

Sowohl die vor rund 25 Jahren in Kraft getretene Strafnorm des Insiderhandels, Art. 161 Strafgesetzbuch, StGB, wie auch das Delikt der Kursmanipulationen, Art. 161bis StGB, haben sich als zu eng, zu schwach und zu unbestimmt erwiesen, um Marktteilnehmer und die Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Finanzplatzes wirkungsvoll zu schützen. Zudem stand diese Regelung im Widerspruch zum Recht der meisten EU-Mitgliedstaaten. Die längst fällige Revision ist mit der Zustimmung des Nationalrats als Zweitrat am 14. Juni 2012 endlich zustande gekommen.

Mit der Revision werden die Strafbestimmungen gegen den Insiderhandel und die Kursmanipulation verschärft sowie ins Börsen- und Effektenhandelsgesetz, BEHG, überführt. Von Bedeutung ist auch, dass die nachfolgend dargestellten Straftaten nicht mehr von einer kantonalen Staatsanwaltschaft, sondern von der Bundesanwaltschaft verfolgt werden. Die gerichtliche Beurteilung wird erstinstanzlich einzig durch das Bundesstrafgericht in Bellinzona erfolgen. Zudem kann das jeweilige Urteil nur noch mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne angefochten werden.

Strafbares Ausnützen von Insiderinformationen

Mit der neuen Strafbestimmung im BEHG wird der Täter-kreis des Insiderdelikts insofern ausgedehnt, als dass nun jede natürliche Person als Täter in Frage kommt, die über Insiderinformationen verfügt. Vor diesem Hintergrund macht Art. 40 neuBEHG die Schwere der Straftat davon abhängig, aus welchem Grund eine Person Kenntnis von einer Insiderinformation erlangt hat.

Am schwersten, nämlich mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, kann dabei der sogenannte „Primärinsider“ bestraft werden. Als solcher gilt jene Person, die direkten Zugang zu Insiderinformationen hat, also etwa das Mitglied eines Leitungs- oder Aufsichtsorgans eines Emittenten. Dabei ist der Kreis der Primärinsider nicht auf die Führungsebene beschränkt, sondern umfasst alle Personen, die Zugang zu sensitiven Informationen haben, z.B. den Forschungsleiter, den Chef Rechtsdienst, aber auch den von diesen Personen Beauftragten sowie den Aktionär, welcher über Insiderinformationen verfügt.

Das neue Insider-Strafrecht im Überblick:

  • Als Täter des „Ausnützens von Insiderinformationen“ (Art. 40 neuBEHG) kommen abgesehen von „Primärinsider“ – insbesondere und typischerweise den Organen eines Emittenten – auch „Sekundärinsider“ sowie – anders als gemäss dem heutigen Art. 161 StGB – Zufallsfinder in Betracht.
  • Erzielt ein „Primärinsider“ einen Vermögensvorteil von mehr als einer Million Franken, mutiert das
  • Delikt zum Verbrechen.
  • Art. 40 neuBEHG kann in dieser qualifizierten Form Geldwäschereivortat (Art. 305bis StGB) sein.
  • Das Delikt der „Kursmanipulation“ i.S.v. Art. 40a neuBEHG wird bei einem Vermögensvorteil von mehr als einer Million Franken zum Verbrechen und damit zur Geldwäschereivortat.
  • Die Straftatbestände des neuBEHG, insbesondere die Art. 40 und 40a, werden ausschliesslich von der Bundesanwaltschaft verfolgt und erstinstanzlich vom Bundesstrafgericht in Bellinzona beurteilt.

Mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe muss der sog. „Sekundärinsider“ rechnen. Er erhält die Information vom Primärinsider oder erlangt sie auf strafrechtlich relevantem Wege, etwa indem er sie aus dem Büro des CEO entwendet.

Dem sog. „Zufallsfinder“, der bloss zufällig an die Information gelangt, droht eine Busse.

Mit der Revision wird die Beschreibung der Tathandlung präzisiert. Diese besteht im weitesten Sinne darin, dass der Insider einen Vermögensvorteil erzielt, indem er Insiderinformationen ausnutzt. Dieses Ausnutzen kann in einem Erwerb oder einer Veräusserung von zugelassenen Effekten bestehen wie in der Abgabe einer Empfehlung zu einem
solchen Vorgehen. Neu werden auch Transaktionen mit Derivaten und nicht standardisierten OTC-Produkten erfasst.

Sanktionen bei Kurs- und Marktmanipulation

Bei der Überführung des Straftatbestands der Kursmanipulation ins BEHG (Art. 40a) wird die bisherige Bestimmung weitestgehend beibehalten. Nach wie vor nicht strafbar sind echte Transaktionen mit manipulatorischem Charakter. Hier greift nun der neu geschaffene aufsichtsrechtliche Tatbestand der Marktmanipulation (Art. 33f neuBEHG). Ein Verstoss gegen diese weit gefasste Norm zieht, in Verbindung mit Art. 34 neuBEHG, Sanktionen nach dem FINMAG nach sich.
Indessen kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Handlungsweisen verboten sein werden, weshalb generell Vorsicht angezeigt ist.

Der Insider als Geldwäscher

Die Straftatbestände gegen Insiderhandel und Kursmanipulation mutieren zu Verbrechen, wenn durch eine tatbestandsmässige Handlung ein Vermögensvorteil von mehr als CHF 1 Mio. erzielt wird. Dadurch stellen die entsprechenden Vermögenswerte neu Tatobjekte der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) dar, wobei sich auch der Vortäter – etwa der Insider – der Geldwäscherei strafbar machen kann.

Insider-Aufsichtsrecht

Neben dem strafrechtlichen Verbot des Ausnützens von Insiderinformationen gibt es neu auch einen aufsichtsrechtlichen Insidertatbestand, der in Art. 33e neuBEHG (in Verbindung mit Art. 34 neuBEHG) verankert ist. Diese weit gefasste Norm ist auf alle Marktteilnehmer anwendbar. Sie greift u.a., wenn jemand Effektengeschäfte durch Ausnützen von Information tätigt, von der er weiss oder wissen müsste, dass es sich um eine Insiderinformation handelt. Erfasst werden auch das „Front-“, „Parallel-“ und „After-Running“. Diese Verbote finden sich auch in der revidierten BVV2 für interne und
externe Vermögensverwalter von Vorsorgeeinrichtungen. Das neuBEHG weitet diese Ver-bote stark aus.

Strafrechtliche Folgen bei Verletzung der Angebots-pflicht

Die Verletzung der Angebotspflicht führte bisher nicht zu strafrechtlichen Sanktionen. Dies ändert sich mit dem Inkrafttreten von Art. 41a neuBEHG. Gemäss dieser Strafnorm wird mit Busse von bis zu CHF 10 Mio. bestraft, wer einer rechtskräftig festgestellten Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots vorsätzlich keine Folge leistet.

Handlungsbedarf

Das revidierte Insiderrecht weitet die Aufsichtszuständigkeit der FINMA auf den Nicht-Finanzsektor aus. Für den Finanzintermediär bringt der Insidertatbestand als Geldwäschereivortat weitere Sorgfalts- und Meldepflichten mit sich. Organisierte Marktteilnehmer – kotierte Gesellschaften, Banken, Fonds, Private Equity Firmen, Pensionskassen, Vermögensverwalter, Treuhänder usw. – werden interne Verhaltensrichtlinien erlassen oder anpassen müssen.

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