Seit dem 1. Januar 2019 kann bei der FINMA eine sog. “Fintech”-Bewilligung beantragt werden. Diese Bewilligung ermöglicht ihren Inhabern, unter erleichterten Anforderungen Publikumseinlagen bis zu einem Betrag von CHF 100 Mio. entgegenzunehmen. Mit der Neuerung wurde vom schweizerischen Gesetzgeber ein weiterer Schritt zur Reduktion von regulatorischen Hürden für die Umsetzung von innovativen Geschäftsmodellen in der Finanzbranche vollzogen.

1. Hintergrund

In der Schweiz sind seit einiger Zeit Bestrebungen im Gang, um regulatorische Hürden für die Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen in der Finanzbranche abzubauen. Derartige Geschäftsmodelle beinhalten unter Umständen eine Entgegennahme von Publikumseinlagen. Dies gilt insbesondere dort, wo – wie im Bereich des Crowdfundings – von Kunden Geld entgegengenommen wird, mit der Verpflichtung, dieses weiterzuleiten oder bei Scheitern des Crowdfunding-Projekts zurückzuerstatten.

Bis zum 1. August 2017 war die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen ausschliesslich Banken vorbehalten. Bis dahin musste zur Umsetzung eines Geschäftsmodells, welches die Entgegennahme von Publikumseinlagen beinhaltete, somit ausnahmslos eine Bankenbewilligung beantragt werden, was mit vergleichsweise grossem finanziellem und organisatorischem Aufwand verbunden war. Ab dem 1. August 2017 wurde das Verbot der Entgegennahmen von Publikumseinlagen durch Nicht-Banken im Rahmen einer Revision der Bankenverordnung erstmals gelockert. Seither ist die Entgegennahme von Publikumseinlagen im Rahmen der sog. “Sandbox” bis zu einem Gesamtbetrag von CHF 1 Mio. unter bestimmten Voraussetzungen ohne Bewilligung der FINMA erlaubt (vgl. unseren Beitrag zur Lockerung der Bestimmungen über die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen).

Mit der Verabschiedung des FIDLEG/FINIG-Gesetzgebungsprojekts wurde nun eine weitere Erleichterung umgesetzt. Seit dem 1. Januar 2019 kann bei der FINMA eine Bewilligung beantragt werden, gestützt auf welche Publikumseinlagen bis zu einem Gesamtbetrag von CHF 100 Mio. entgegengenommen werden dürfen. Um eine solche Bewilligung erlangen und aufrechterhalten zu können, bestehen im Vergleich zu einer “klassischen” Bankenbewilligung geringere Anforderungen.

Die neu geschaffene Bewilligungskategorie, welche ihre Grundlage in Art. 1b BankG hat, wird gemeinhin als “Fintech”-Bewilligung bezeichnet. Dies darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die neue Bewilligungskategorie grundsätzlich jedermann offensteht. Um eine “Fintech”-Bewilligung erlangen zu können, muss der FINMA somit nicht dargelegt werden, dass das verfolgte Geschäftsmodell einen besonders hohen Innovationsgrad aufweist. In der Praxis dürfte zur Erlangung einer “Fintech”-Bewilligung aber dennoch vorausgesetzt werden, dass ein grundsätzlich erfolgsversprechender “Business Case” präsentiert werden kann.

2. Von der “Sandbox” über die “Fintech”-Bewilligung zur “klassischen” Bankenbewilligung

Für Personen, die Publikumseinlagen entgegennehmen wollen, bestehen seit dem 1. Januar 2019 drei Gefässe: Betragen die entgegengenommenen Publikumseinlagen gesamthaft höchstens CHF 1 Mio., kann die “Sandbox” beansprucht werden und es ist eine Tätigkeit ohne Bewilligung der FINMA möglich. Für Personen, welche Publikumseinlagen bis zu einem Betrag von CHF 100 Mio. entgegennehmen wollen, steht neuerdings die “Fintech”-Bewilligung zur Verfügung. Übersteigen die Publikumseinlagen diesen Betrag, muss bei der FINMA nach wie vor zwingend eine “klassische” Bankenbewilligung beantragt werden.

Eine Bankenbewilligung ist – zumindest im Grundsatz – auch dann unabdingbar, wenn die entgegengenommenen Einlagen angelegt oder verzinst werden sollen. Die “Fintech”-Bewilligung steht Unternehmen, welche die Einlagen anlegen oder verzinsen, somit nicht zur Verfügung. Derartige Unternehmen gelten als Banken, selbst wenn die Einlagen weniger als CHF 100 Mio. betragen (Art. 1a lit. b BankG). Auch die “Sandbox” bleibt Personen, welche die Einlagen anlegen oder verzinsen wollen, grundsätzlich verschlossen. Nur Personen, welche als Haupttätigkeit eine gewerblich-industrielle Tätigkeit ausüben und die Publikumseinlagen für die Finanzierung dieser Tätigkeit verwenden, sind vom Anlage- und Verzinsungsverbot innerhalb der “Sandbox” ausgenommen (vgl. unseren Beitrag zur Revision des Rundschreibens “Publikumseinlagen bei Nichtbanken”).

3. Organisationserfordernisse für Unternehmen mit “Fintech”-Bewilligung

Für Unternehmen, die eine “Fintech”-Bewilligung beanspruchen wollen, bestehen im Wesentlichen die folgenden Organisationserfordernisse:

  • – Sie müssen als AG, Kommandit-AG oder GmbH organisiert sein und ein Mindestkapital von 3 Prozent der entgegengenommenen Publikumseinlagen bzw. mindestens CHF 300’000.00 aufweisen (Art. 14a Abs. 1 BankVArt. 17a BankV).
  • – Ihr Sitz und die tatsächliche Verwaltung muss sich in der Schweiz befinden (Art. 14a Abs. 2 BankV).
  • – Sie sind verpflichtet, ihren Geschäftskreis in den Statuten oder einem Reglement sachlich und geographisch genau zu umschreiben (Art. 14b BankV).
  • – Sie müssen eine angemessene Verwaltungsorganisation aufweisen (Art. 14c und d BankV).
  • – Ihre Organe müssen Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten (Art. 1b Abs. 3 lit. d BankG);
  • – Sie haben über eine angemessen ausgestattete Risikomanagement- und Compliancefunktion zu verfügen (Art. 14e BankV).

Art. 14g BankV bestimmt sodann, dass Personen mit einer “Fintech”-Bewilligung angemessene Vorkehren treffen müssen, um Interessenkonflikte zu vermeiden oder eine Benachteiligung der Kunden durch Interessenkonflikte auszuschliessen. Diese Pflicht stimmt mit Art. 25 des am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) überein, wurde für Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung aber dennoch gesondert statuiert, weil solche Unternehmen unter Umständen ein Geschäftsmodell verfolgen, bei welchem keine Finanzdienstleistung gemäss FIDLEG vorliegt.

4. Erleichterungen für Unternehmen mit “Fintech”-Bewilligung

Für Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung gelten im Vergleich zu Banken im Wesentlichen die folgenden Erleichterungen:

  • – Die Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (ERV) ebenso wie die Verordnung über die Liquidität der Banken (LiqV) finden keine Anwendung (Art. 17a Abs. 3 BankV).
  • – Die Rechnungslegung richtet sich ausschliesslich nach dem Obligationenrecht und nicht nach den bankengesetzlichen Spezialregeln (Art. 1b Abs. 4 lit. a BankG).

5. Verhaltens- und Sorgfaltspflichten für Unternehmen mit “Fintech”-Bewilligung

Für Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung gelten zunächst eine Reihe von spezifischen Verhaltenspflichten:

  • – Nach Art. 7a BankV unterliegen Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung einer besonderen Informationspflicht. Sie müssen ihre Kunden vor dem Vertragsabschluss schriftlich über die mit ihrem Geschäftsmodell, ihren Dienstleistungen und verwendeten Technologien verbundenen Risiken informieren. In gleicher Weise müssen die Kunden von Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung auch über den Umstand aufgeklärt werden, dass für getätigte Einlagen keine Einlagensicherung wie bei Banken besteht.
  • – Weiter sind Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung verpflichtet, die von ihnen entgegengenommenen Einlagen in einer bestimmten Weise zu halten. Insbesondere müssen die Einlagen von den Unternehmen getrennt von den eigenen Mitteln verwahrt oder in den Büchern so erfasst werden, dass sie jederzeit separat von den eigenen Mitteln ausgewiesen werden können (Art. 14 f BankV).

Neben den Verhaltenspflichten, die ausschliesslich auf Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung Anwendung finden, sind sodann auch die generellen Verhaltenspflichten einzuhalten, die sektorübergreifend für sämtliche Marktteilnehmer Anwendung finden. Für den Fall, dass ein Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung eine Finanzdienstleistung im Sinne von Art. 3 lit. c FIDLEG erbringt, muss es ab Januar 2020 so die Verhaltenspflichten gemäss FIDLEG erfüllen.

Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung gelten im Übrigen von Gesetzes wegen als Finanzintermediäre und haben demzufolge die Sorgfaltspflichten des GwG einzuhalten (Art. 2 Abs. 2 lit. a GwG). In diesem Bereich wurden im Vergleich zu “klassischen” Banken allerdings wiederum eine Reihe von Erleichterungen implementiert. Nach der per 1. Januar 2019 revidierten GwV-FINMA sind auf Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung grundsätzlich nicht die Bestimmungen für Banken, sondern die in gewissen Bereichen weniger weit gehenden Bestimmungen für direkt unterstellte Finanzintermediäre anwendbar (Art. 43a GwV-FINMA). Die Bestimmungen für direkt unterstellte Finanzintermediäre gelten für Unternehmen mit einer “Fintech”-Bewilligung allerdings nicht ausnahmslos. Punktuell findet ein Sonderregime Anwendung (vgl. Art. 72 Abs. 2 GwV-FINMAArt. 75a GwV-FINMA sowie Art. 76 Abs. 3 GwV-FINMA).

6. Inkrafttreten

Der neue Art. 1b BankG und die Anpassungen in der BankV sind vom Bundesrat auf den 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt worden. Auch die neuen Bestimmungen in der GwV-FINMA gelten bereits seit diesem Datum. Unternehmen können bei der FINMA somit seit dem 1. Januar 2019 eine “Fintech”-Bewilligung beantragen. Um den Gesuchstellern diese Aufgabe zu erleichtern, hat die FINMA am 3. Dezember 2018 eine Wegleitung für Gesuche zur Erteilung einer “Fintech”-Bewilligung publiziert. Diese Wegleitung führt detailliert auf, welche Angaben und Unterlagen zur Erlangung einer “Fintech”-Bewilligung bei der FINMA eingereicht werden müssen.