Die Digitalisierung hinterlässt ihre Spuren auch im Erbrecht. Während sich ein Nachlass bis im 20. Jahrhundert vorwiegend aus greifbaren Vermögenswerten zusammensetzte, lässt der Mensch heute zunehmend digitale Rechte und virtuelle Besitztümer zurück. Das digitale Erbe weist einige Besonderheiten auf, welchen frühzeitig Rechnung zu tragen ist. Mit testamentarischen Anordnungen und einem Vorsorgeauftrag können wichtige Rechtsfragen geregelt werden.

Der Erblasser des 21. Jahrhunderts

Der moderne Mensch verbringt viel Zeit in sozialen Netzwerken, besitzt mindestens einen E-Mail Account, schliesst regelmässig Kaufgeschäfte über das Internet ab und erledigt seine Zahlungen via E-Banking. Kurz: Das Internet ist aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Dennoch bedenken die Wenigsten, dass ihr virtuelles Leben eine Datenspur im Internet hinterlässt. Diese Unbekümmertheit mag darauf zurückzuführen sein, dass der Nutzer zu Lebzeiten es jederzeit in der Hand hat, seine Daten zu verwalten. Wer aber hat darauf Zugriff, wenn er verstirbt oder handlungsunfähig wird?

Digitaler Nachlass

Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, welches Schicksal gespeicherten Daten im Falle des Versterbens des Nutzers widerfährt. Das Schweizer Erbrecht folgt dem Grundsatz der Universalsukzession (Gesamtnachfolge). Dies bedeutet, dass die Erben die Erbschaft als Ganzes erwerben und mit dem Tod des Erblassers in seine Rechtsstellung eintreten. Gegenstand der Universalsukzession bilden jedoch nur die vererblichen Vermögenswerte des Erblassers sowie dessen Schulden. Vererbbar sind namentlich Forderungen, das Eigentum und der Besitz sowie Urheberrechte. Nicht vererbbar sind hingegen höchstpersönliche Rechte, wie beispielsweise die Rechte auf Ehre und Achtung der Privatsphäre. Diese endigen mit dem Tod des Erblassers. Demnach ist klar: Der materielle Nachlass – wie etwa die Festplatte eines Computers oder das Smartphone – ist vererbbar. Diese Endgeräte gehen auf die Erben über, welche dadurch auch in den Besitz der darauf gespeicherten Daten gelangen.

Sind Daten vererblich?

Wie aber verhält es sich mit Daten, die im Internet gespeichert sind? Das Schweizer Erbrecht schweigt sich darü- ber aus, ob diese Daten Bestandteil des Nachlasses bilden (können). Auch das Persönlichkeitsrecht gibt keine Antwort auf die Frage. Urheberrechtlich werden die Daten nur erfasst und geschützt, wenn sie eine Schöpfung mit individuellem Charakter darstellen. Diese Anforderung erfüllen in der Praxis wohl die wenigsten, von Laien produzierten Datensammlungen.
Das Schweizer Recht regelt die Vererbung von solchen Daten also nicht. Damit fehlt es den Erben an einer Rechtsgrundlage für die Geltendmachung eines entsprechenden Herausgabeanspruchs.

Kein Halt an der Landesgrenze

Zahlreiche marktbeherrschende Firmen wie Facebook, Microsoft oder Google haben ihren Hauptsitz im Ausland, insbesondere in den USA. In ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterstellen sie das Rechtsverhältnis zum Nutzer regelmässig der ihnen vertrauten Rechtsordnung, mithin dem amerikanischen Recht. Das Gleiche gilt in Bezug auf den Gerichtsstand. Es muss also im Einzelfall geprüft werden, welchem Recht das konkrete Rechtsverhältnis untersteht und wo ein allfälliger Herausgabeanspruch geltend gemacht werden muss. Dass der Anspruch Schweizer Recht untersteht oder vor einem Schweizerischen Gericht geltend gemacht werden kann, wird in den meisten Fällen Wunschdenken bleiben.

Ein Blick in die Praxis

Wie dem Schweizer Recht mangelt es auch den ausländischen Rechtsordnungen oftmals an einer konkreten Regelung, wie mit den persönlichen Daten eines verstorbenen Nutzers zu verfahren ist. Den Betreibern von Internetdiensten sind beim Erlass eigener Regelungen daher kaum Grenzen gesetzt – sie können weitgehend frei entscheiden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sie die Daten des verstorbenen Nutzers preisgeben wollen. Ein Vergleich der Regelungen ausgewählter Unternehmungen offenbart denn auch eine höchst uneinheitliche Handhabung in der Praxis:

  • GMAIL gewährt «autorisierten Vertretern» unter bestimmten Voraussetzungen Zugriff auf das E-Mail Konto des Verstorbenen. Das Verfahren zur Akkreditierung als autorisierter Vertreter ist allerdings aufwendig und erfordert unter anderem die Einreichung beglaubigter, ins Englische übersetzter Dokumente in den USA.
  • TWITTER löscht den Account eines Verstorbenen, wenn Erben oder andere nachweislich autorisierte Personen die Deaktivierung beantragen. Eine Herausgabe von Daten erfolgt grundsätzlich nicht.
  • FACEBOOK versetzt das Konto des Verstorbenen auf Antrag von Angehörigen oder Freunden in den Kondolenz- bzw. Gedenkstatus. Der Zugriff auf das Profil setzt einen besonderen Antrag voraus. Antragsberechtigt sind ausschliesslich ausgewiesene Angehörige.
  • XING setzt den Status des Nutzers auf inaktiv, wenn die Todesmeldung eingeht. Besondere Nachweise sind hierfür nicht erforderlich. Der Account wird gelöscht, sobald eine Verwechslung oder Falschmeldung ausgeschlossen werden kann.

[Quelle: School of Management and Law (zhaw): Sterben und Erben in der digitalen Welt, Zürich 2013, S. 37]

Zusammenfassend ist festzustellen, dass einige Anbieter selbst denjenigen Erben, die ihre Legitimation mit einem Erbenschein nachweisen können, keinen Zugriff auf das Konto des verstorbenen Nutzers gewähren. Hier haben die Hinterbliebenen folglich keine Möglichkeit, auf die Internetdaten des Erblassers zuzugreifen.

Spurensuche

Abgesehen von der unklaren Rechtslage und der uneinheitlichen Handhabung der Zugriffsmöglichkeit auf Daten verstorbener Nutzer, sehen sich die Erben in der Praxis regelmässig mit einem weiteren brisanten Problem konfrontiert, nämlich mit der Frage, welche Onlinedienste der Erblasser überhaupt in Anspruch genommen hat und auf welchen Plattformen er aktiv war. Nicht selten wird diese Spurensuche zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass der Nutzer nicht unter seinem richtigen Namen auftrat, sondern ein Pseudonym verwendete.

Das Passwort als Ursache allen Übels

Der passwortgeschützte Zugang zu den einzelnen Portalen stellt schliesslich ein weiteres Hindernis dar, welches von den Erben bewältigt werden muss. Oftmals sind den Angehörigen die Passwörter des Erblassers nicht bekannt. Ohne die Mitwirkung des Anbieters sind sie daher nicht in der Lage, sich in die Datenbanken und Online-Plattformen einzuloggen und diese zu verwalten. Mit Kenntnis der Passwörter würde die dargelegte Problematik erheblich entschärft.

Vermeiden Sie virtuelle Friedhöfe frühzeitig

Aus dem bisher Gesagten erhellt, dass der Erblasser den dargelegten Problemen durch eine sorgfältige und umfassende Nachlassplanung selbst am Wirksamsten begegnen kann. Für diese Planung stehen dem Nutzer namentlich folgende Instrumente zur Verfügung:

  • Testament Der Erblasser kann in einem Testament festhalten, auf welchen Internetseiten und Plattformen er aktiv war, und die zugehö- rigen Passwörter bezeichnen. Er kann ferner anordnen, welcher Erbe sich der Betreuung der Profile annehmen und somit Einsicht in die Datensammlung erhalten soll. Schliesslich kann er den bezeichneten Erben mit dem Testament instruieren, wie er mit den entsprechenden Daten verfahren soll. Es ist zulässig, die Regelung über die Internetdaten in einem separaten, eigens dafür vorgesehenen Testament festzuhalten. Will der Nutzer nicht, dass nach seinem Tod ein Erbe in Besitz der Daten gelangt, kann er im Testament stattdessen die Einsetzung eines von ihm bezeichneten Willensvollstreckers verfügen. Je nach Inhalt der erblasserischen Anordnung obliegt diesem die Abwicklung des ganzen Nachlasses oder aber ausschliesslich die Handhabung der digitalen Daten. Bei der Ausfertigung eines Testaments sind zwingend die gesetzlichen Formvorschriften (eigenhändig geschrieben oder öffentliche Urkunde) zu beachten, ansonsten das Testament ungültig ist.
  • Digitaler Vererbungsdienst Der Nutzer kann alternativ einen externen Aufbewahrungsservice mit der Verwaltung seiner persönlichen Daten beauftragen, etwa einen Onlinedatenspeicherdienst. Der Nutzer lädt die Zugriffsdaten für seine online Konten und Profile auf eine Plattform. Zugleich erteilt er dem Anbieter Anweisungen, was mit den Daten im Falle seines Todes geschehen soll bzw. unter welchen konkreten Umständen der Anbieter die Daten an wen herausgeben darf. Verstirbt der Nutzer oder tritt ein von ihm umschriebener Umstand ein, erhält die von ihm bezeichnete Vertrauensperson Zugriff auf die gespeicherten Daten.
  • Vorsorgeauftrag Schliesslich kann der Nutzer auch Anordnungen treffen, die bereits zu Lebzeiten greifen. Mit einem Vorsorgeauftrag kann er die Verwaltung der Daten im Fall des Eintritts der Urteilsunfähigkeit regeln. Auch hier gilt es, die gesetzlichen Formvorschriften (eigenhändig geschrieben oder öffentliche Urkunde) zu beachten.

Ausblick und Fazit

Inzwischen hat auch die Politik die dargelegte Problematik erkannt. Mit Postulat vom 24. September 2014 forderte der Nationalrat Jean Christophe Schwaab den Bundesrat auf, zu prüfen, ob das Erbrecht ergänzt werden muss, um die Rechte der Erben auf Personendaten und digitale Zugänge der verstorbenen Person sowie um die Auswirkungen des Todes auf deren virtuelle Präsenz zu regeln. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Bis Redaktionsschluss wurde es noch nicht behandelt. So oder anders: Mit einer rechtzeitigen Regelung seines digitalen Nachlasses kann der Erblasser erheblich dazu beitragen, dass den Erben eine mühsame Spurensuche im Internet erspart bleibt und sie für die Verwaltung seiner Daten nicht auf das Wohlwollen des Anbieters angewiesen sind. Mit anderen Worten: Von einer klaren Anordnung profitieren sowohl der Nutzer selbst wie auch seine Erben.