In einem Entscheid 138 III 755 vom 30. Oktober 2012 hat das Bundesgericht den Anspruch eines Kunden gegen seinen Vermögensverwalter auf Herausgabe von Kommissionen, welche dieser von Fondsanbietern für die Platzierung von Fondsprodukten erhalten hat, geschützt. Damit rundet das höchste Schweizer Gericht seine kritische Rechtsprechung zu Drittleistungen, die ein Vermögensverwalter im Rahmen von Vermögensverwaltungsmandaten erhält, weiter ab.

1. Sachverhalt und Prozessgeschichte

Der Kläger, ein Privatmann, und die Beklagte, eine Schweizer Grossbank, standen zueinander in einem Vermögensverwaltungsvertragsverhältnis. Darunter wurde die Beklagte beauftragt, das bei ihr liegende Vermögen des Klägers im Rahmen der vertraglichen Vorgaben diskretionär zu verwalten. Die Beklagte setzte dabei unter anderem Fonds- und strukturierte Produkte ein. Für den Vertrieb der Fonds wurde sie von den Fondsanbietern entschädigt. Einerseits erhielt sie Kommissionen für die Ausgabe und Rücknahme von Fondsanteilen. Andererseits erhielt die Beklagte einen Anteil an den Managementgebühren, welche direkt dem jeweiligen Fondsvermögen (und damit indirekt den Anlegern) belastet wurden. Die Höhe dieser Kommission war vom Bestand der Fondsanteile abhängig, welche in den Kundendepots der Beklagten lagen. Solche Entschädigungen werden daher “Bestandespflegekommissionen” genannt.a

Der Kläger verlangte von der Beklagten die Herausgabe der Bestandespflegekommissionen. Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage ab, das Obergericht hiess diese am 13. Januar 2012 mit Bezug auf Kommissionen, welche die Beklagte von nicht zum Konzern gehörenden Unternehmen erhielt, gut. Bestandespflegekommissionen, welche die Beklagte von anderen Konzerngesellschaften erhielt, erachtete das Obergericht hingegen nicht als herausgabepflichtig (vgl. unsere Besprechung des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich). Der Kläger wie auch die Beklagte erhoben dagegen Beschwerde beim Bundesgericht.

2. Entscheid

Das Bundesgericht schützte die Argumentation des Klägers, welcher die Bestandespflegekommissionen als herausgabepflichtige Drittvergütungen beurteilt wissen wollte, und zwar sowohl in Bezug auf von konzernfremden als auch von zum Bankkonzern gehörenden Fondsanbietern bezahlte Kommissionen. Der Entscheid ist ausführlich und sorgfältig begründet und enthält die folgenden Kernaussagen:

  • Aufgrund von Art. 400 Abs. 1 OR ist der Vermögensverwalter als Beauftragter verpflichtet, auf Verlangen des Auftraggebers jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grund zugekommen ist, zu erstatten. Diese Ablieferungspflicht betrifft auch Vermögenswerte, die dem Verwalter infolge der Auftragserfüllung indirekt von Dritten zukommen, da er durch den ihm erteilten Auftrag abgesehen von seinem Honorar „weder gewinnen noch verlieren soll“. Der Vermögensverwalter habe alle Vermögenswerte herauszugeben, die in einem „inneren Zusammenhang zur Auftragsausübung“ stehen (Erwägung 4.2). Die Ablieferungspflicht stelle eine Präventivmassnahme „zur Wahrung der Interessen des Auftraggebers dar“, um den Beauftragten gar nicht erst in die Situation kommen zu lassen, bei der Auftragserfüllung eigene Interessen jenen des Auftraggebers vorzuziehen. Ein innerer Zusammenhang zwischen einer Drittleistung und der Auftragsausübung sei folglich zu bejahen, „wenn die Gefahr besteht, der Beauftragte könne sich dadurch veranlasst sehen, die Interessen des Auftraggebers nicht ausreichend zu berücksichtigen“ (Erwägung 5.3). Dabei erfasse die Herausgabepflicht nicht bloss „Retrozessionen“ im eigentlichen Sinn, d.h. Rückvergütungen von beim Kunden unmittelbar erhobenen Gebühren (wie bspw. Depotgebühren, welche eine Depotbank dem Kunden belastet, um diese danach teilweise dem externen Vermögensverwalter zukommen zu lassen), sondern alle indirekten Vorteile, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausübung von Dritten zufliessen (Erwägung 5.4).
  • Das Bundesgericht hielt fest, dass sich die Höhe der in Frage stehenden Bestandespflegekommissionen nicht nach dem erbrachten Aufwand, sondern nach dem Erfolg der Vertriebsbemühungen der Beklagten richtete und dass die „Vergütungen in erster Linie auf Absatz ausgerichtet“ gewesen seien. Damit habe für die Beklagte der Anreiz bestanden, die vertriebenen Finanzprodukte im Vermögensverwaltungsmandat einzusetzen, was im Zielkonflikt mit ihrer Verpflichtung zur umfassenden Wahrung der Interessen des Vermögensverwaltungskunden gestanden habe. Der innere Zusammenhang zur Auftragsausführung sei somit gegeben, weshalb die Bestandespflegekommissionen von der Beklagten grundsätzlich herauszugeben seien. Sofern sie beim Vertrieb Aufwendungen gehabt habe, könne sie diese als Auslagenersatz geltend machen. Da die Beklagte ihre konkreten Aufwendungen nicht belegt hat, musste sich das Gericht mit dieser Frage nicht weiter auseinandersetzen (Erwägungen 5.6 und 5.7).
  • Gemäss Bundesgericht ergibt sich weder aus dem Kollektivanlagengesetz noch aus anderen aufsichtsrechtlichen Vorschriften ein Verbot der Beklagten, die Bestandespflegekommissionen an den Vermögensverwaltungskunden weiterzuleiten. Auch diese Frage klärte das Gericht allerdings nicht abschliessend: Bestünden nämlich entsprechende Verbote, obläge es der Beklagten, diese nicht zu verletzen, bspw. indem der Kunde rechtswirksam auf die Weiterleitung der Drittleistungen verzichtet oder die Beklagte keine Drittleistungen entgegennimmt (Erwägung 5.8.2). Ob ein Verbot vorliegt oder nicht, erscheint daher irrelevant.
  • Mitunter unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung (BGE 137 III 393 und BGE 132 III 460) verneinte das Bundesgericht sodann einen gültigen Verzicht des Kunden auf Herausgabe der Bestandespflegekommissionen (Erwägung 6.3).
  • Das Obergericht des Kantons Zürich kam im beim Bundesgericht angefochtenen Entscheid zum Schluss, dass eine Herausgabepflicht für jene Bestandespflegekommissionen nicht bestehe, welche der Beklagten seitens Konzerngesellschaften zugeflossen seien. Solche Zahlungen – so das Obergericht – seien „bei einer konsolidierten Betrachtungsweise als konzernneutral zu werten“. Da diese Zahlungen nicht im Sinne von Art. 400 Abs. 1 OR wirtschaftlich fremd seien, unterlägen sie nicht der Herausgabepflicht. Das Bundesgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Zum einen kenne die Schweiz kein systematisch kodifiziertes Konzernrecht und Konzerngesellschaften hätten einzeln für ihre Verbindlichkeiten einzustehen. Sodann würden die verschiedenen konzernrechtlichen Normen und Grundsätze vorwiegend dem Schutz der Gläubiger oder der Aktionäre dienen oder einen allgemeinen Funktionsschutz verwirklichen. Eine Berücksichtigung des Konzernverbunds zum Schutz des Konzerns gegenüber Vertragspartnern von Konzerngesellschaften kommt nach Auffassung des Bundesgerichts hingegen nicht in Frage. Entscheidend sei auch hier einzig, ob die einem Beauftragten zufliessenden Drittvergütungen die Gefahr eines Interessenkonfliktes bergen würden. Diese Gefahr bestehe beim Vertrieb konzerneigener Produkte verschärft, da in diesem Falle nicht nur der Vertriebsträger, sondern auch eine mit ihm verbundene Gesellschaft an der Produktgebühr partizipiere. Entsprechend unterlägen auch Bestandespflegekommissionen, welche die Beklagte von Konzerngesellschaften erhalten habe, der Herausgabepflicht von Art. 400 Abs. 1 OR (Erwägung 8).

 

3. Kurzbeurteilung

Das Urteil des Bundesgerichts ist ein weiterer Entscheid, welcher sich kritisch mit Drittvergütungen im Vermögensverwaltungsgeschäft auseinandersetzt. Es beinhaltet mehrere wichtige klärende Hinweise, einerseits bezüglich der Frage, wann ein „innerer Zusammenhang“ zwischen der Auftragserfüllung und den einem Beauftragten zukommenden Drittleistungen, welche an den Auftraggeber herausgegeben werden müssen, vorliegt; hier bekennt sich das Gericht zu einer funktionalen Betrachtungsweise, welche auf das Gefahrenpotential eines Interessenkonfliktes des Beauftragten abstellt. Sodann enthält das Urteil mit Bezug auf Vertriebsentschädigungen klare Aussagen zum Verhältnis des Zivilrechts zum Kollektivanlagen- und Aufsichtsrecht, welches in der Vergangenheit für Unsicherheit sorgte. Ferner erteilt das Gericht der Auffassung eine Absage, konzerninterne Vergütungen seien nicht als Drittvergütungen zu qualifizieren und daher nicht an den Vermögensverwaltungskunden herauszugeben – und unterlässt dabei auch den Seitenhieb nicht, Interessenkonflikte seien insbesondere beim Vertrieb konzerneigener Produkte virulent.

Die Einbehaltung von Bestandespflegekommissionen durch den Vertriebsträger mit Vermögensverwaltungskundschaft ist relativ weit verbreitet, nicht zuletzt weil bislang umstritten war, ob diese analog den Retrozessionen dem Kunden oder aber dem Vertriebsträger / Vermögensverwalter für dessen „genuinen Vertriebsleistungen“ zustehen. Zu dieser Unsicherheit hat auch ein Entscheid der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts beigetragen, welche Fondsvertriebsentschädigungen ausdrücklich nicht als herausgabepflichtig beurteilte (vgl. unseren Beitrag „Vertriebsentschädigungen“ vom 3. Oktober 2011). Somit hat das Urteil in den Fällen Relevanz, in welchen die neuere Praxis des Bundesgericht zu Retrozessionen bzw. zum gültigen Kundenverzicht noch nicht oder nicht zeitgerecht umgesetzt wurde (vgl. BGE 137 III 393 und BGE 132 III 460). Andererseits dürfte der Entscheid generelle Auswirkungen auf die Vergütungssysteme im Fondsvertrieb haben, da sich im Vermögensverwaltungsgeschäft eine Tendenz zur Abkehr von Retros erkennen lässt und damit die Einholung gültiger Kundenverzichtserklärungen in vielen Fällen keine gangbare Lösung zur Ertragssicherung darstellt.

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