Am 1. Januar 2017 trat das Rundschreiben 2017 / 06 „Direktübermittlung“ (“Rundschreiben“) der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht („FINMA“) in Kraft. Darin veröffentlichte die FINMA ihre Praxis zu Art. 42c des Finanzmarktaufsichtsgesetzes („FINMAG“), welcher die Voraussetzungen für die Übermittlung nicht öffentlicher Informationen durch Beaufsichtigte an ausländische Behörden und Stellen regelt.

1. Einleitung

Art. 42c FINMAG eröffnet den von der FINMA beaufsichtigten Finanzdienstleistern die Möglichkeit, unter bestimmten Vorrausetzungen nicht öffentliche Informationen direkt an ausländische Behörden und Stellen zu übermitteln. Weil sich Beaufsichtigte bei der Offenlegung solcher Informationen an ausländische Behörden vor Inkraftsetzung von Art. 42c FINMAG dem Risiko aussetzten, eine verbotene Handlung für einen fremden Staat i.S.v. Art. 271 StGB zu begehen, konnte eine Übermittlung nur über den staatlichen Amtshilfeweg oder gestützt auf eine behördliche Bewilligung erfolgen. Da aber international tätige Finanzdienstleister aufgrund ausländischer Regulierungen dazu verpflichtet sein können, ausländischen Behörden kurzfristig Informationen zu liefern, bestand ein grosses Bedürfnis nach einem die hoheitliche Amtshilfe ergänzenden Übermittlungskanal. Das seit dem 1. Januar 2017 geltende Rundschreiben gibt die Auslegungspraxis der FINMA zu Art. 42c FINMA wieder.

2. Informationsübermittlung an ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden und weitere mit der Aufsicht betraute ausländische Stellen, Art. 42c Abs. 1 FIMAG

Tatbestand

Gemäss Art. 42c Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 FINMAG dürfen von der FINMA Beaufsichtigte „zuständigen ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden und weiteren mit der Aufsicht betrauten ausländischen Stellen nicht öffentlich zugängliche Informationen übermitteln“, sofern:

  • die Informationen ausschliesslich zum Vollzug des Finanzmarktrechts verwendet oder zu diesem Zweck an andere Behörden, Gerichte oder Organe weitergeleitet werden; und
  • die ersuchenden Behörden an ein Amts- oder Berufsgeheimnis gebunden sind; und
  • dabei die Rechte von Kunden und Dritten gewahrt bleiben.

 

Begriff der zuständigen ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde und mit der Aufsicht betrauten ausländischen Stelle

In Rz.8 ff. des Rundschreibens wird festgehalten, dass der „zuständigen ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörde“ Aufsichtskompetenz im Finanzmarkt zukommen müsse, wobei eine Identität mit den Befugnissen der FINMA nicht verlangt wird. Bei der Finanzmarktaufsicht müsse es sich allerdings um die Haupt- und nicht bloss um die Nebenfunktion handeln. In sachlicher Hinsicht umfasse Aufsicht die Durchsetzung der Finanzmarktgesetze. Strafrechtliche Kompetenzen schlössen eine Qualifikation als Finanzmarktaufsichtsbehörde nicht aus. Ausländische Behörden, die ausschliesslich straf- und steuerrechtliche Aufgaben erfüllten, fielen aber nicht unter die Definition.

Bei der Behörde müsse es sich um ein Organ des Staates bzw. eines selbständigen Verwaltungsträgers, das Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und den Staat bzw. den Verwaltungsträger im zugewiesenen Zuständigkeitsbereich nach aussen vertritt, handeln (Rundschreiben, Rz. 9). Als „mit der Aufsicht betraute ausländische Stellen“ kommen Einheiten in Frage, die zwar über keinen Behördencharakter verfügen, aufgrund ausländischer Rechtsnormen oder einer Delegation durch eine zuständige Finanzmarktaufsichtsbehörde aber Aufsichtsfunktionen wahrnehmen (Rundschreiben, Rz. 14).

Spezialitäts- und Vertraulichkeitsprinzip

Eine Übermittlung nicht öffentlicher Informationen ist dann zulässig, wenn die Informationen ausschliesslich zum Vollzug des Finanzmarktrechts verwendet werden (Spezialitätsprinzip) und die ersuchenden Behörden an ein Amts- oder Berufsgeheimnis gebunden sind (Vertraulichkeitsprinzip).

Um die Prüfung des Spezialitätsprinzips und des Vertraulichkeitserfordernisses zu erleichtern, veröffentlichte die FINMA eine Liste von Behörden, an welche sie in der Vergangenheit bereits Amtshilfe geleistet hat und von denen daher vermutet werden darf, dass sie die Voraussetzungen der Vertraulichkeit und Spezialität erfüllen (Rundschreiben, Rz. 20 und 21).

Figuriert die ersuchende Behörde oder Stelle nicht auf dieser Liste, muss der beaufsichtigte Finanzintermediär betr. Vertraulichkeit und Spezialität weitere Abklärungen treffen, bspw. mit einem ausländischen Anwalt. Gleiches gilt, wenn die Behörde oder Stelle zwar auf der FINMA-Liste geführt wird, aber bezweifelt werden muss, dass dem Spezialitäts- oder dem Vertraulichkeitsprinzip in casu genüge getan wird, bspw. weil Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Informationsbegehren nicht zum Zweck des Vollzugs des Finanzmarktrechts, sondern zur Weitergabe an andere Behörden gestellt wird (Rundschreiben, Rz. 25 f.). Können die Zweifel von der Beaufsichtigten nicht ausgeräumt werden, darf gestützt auf Art. 42c Abs. 1 FINMAG keine Direktübermittlung erfolgen (Rundschreiben, Rz. 27).

Erfolgt die Übermittlung, ist die ausländische Behörde oder Stelle auf die Vertraulichkeit und Spezialität hinzuweisen (Rundschreiben, Rz. 29).

Wahrung der Rechte von Kunden und Dritten

Bezüglich der Rechte von Kunden und Dritten haben die Beaufsichtigten unter anderem das Geschäfts- und Bankkundengeheimnis, die Bestimmungen über den Datenschutz sowie die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis zu wahren. Die Einhaltung dieser (sowie gegebenenfalls weiterer) Schweizer Vorschriften ist Sache der Beaufsichtigten (Rundschreiben, Rz. 30 f.).

3. Übermittlung nicht öffentlicher, im Zusammenhang mit Geschäften von Kunden und Beaufsichtigten stehenden Informationen an ausländische Behörden und von diesen beauftragte Stellen, Art. 42c Abs. 2 FIMAG

Art. 42c Abs. 2 FINMAG betrifft nur die Direktübermittlung von Informationen, die im Zusammenhang mit Geschäften von Kunden und Beaufsichtigten stehen. Gemäss Rz. 39 des Rundschreibens sind dies Geschäfte, „die die Beaufsichtigten im Rahmen ihrer bewilligten Geschäftstätigkeit üblicherweise für Kunden, für sich selbst oder innerhalb der Gruppe im Ausland tätigen, beispielsweise Effektentransaktionen.“

Damit eine Beaufsichtigte eine nicht öffentliche Information nach Art. 42c Abs. 2 FINMAG einer ausländischen Behörde oder Stelle offenlegen darf, muss die Übermittlung für die Durchführung eines Geschäfts nach dem jeweils anwendbaren ausländischen Recht erforderlich sein (Rundschreiben, Rz. 40). Gemäss Ziffer 3.4.5 des Anhörungsberichts der FINMA zum Entwurf des Rundschreibens vom 8. Dezember 2016 bedeute „erforderlich“ nicht bloss, dass ohne die Übermittlung das Geschäft nicht gültig abgeschlossen oder ausgeführt werden könne. Eine Informationsübermittlung sei bereits dann für ein Geschäft erforderlich, wenn ohne sie eine Norm verletzt werde oder strafrechtliche Sanktionen drohten. Insofern ist es im Kontext von Art. 42c Abs. 2 FINMAG – anders als bei Art. 42c Abs. 1 FINMAG – nicht notwendig, dass die Informationsübermittlung direkt dem Vollzug des Finanzmarktrechts dient.

Bei der Übermittlung nicht öffentlicher Informationen im Zusammenhang mit Geschäften von Kunden und Beaufsichtigten müsse es sich bei der Adressatin auch nicht um eine Finanzmarktbehörde handeln; es genüge eine solche, für welche „gemäss dem anwendbaren ausländischen Recht eine entsprechende Meldung vorgesehen ist“. Eine Übermittlung an ausländische Straf- und Steuerbehörden sei unter Art. 42c Abs. 2 FINMAG aber ausgeschlossen (Rundschreiben, Rz. 34 f.). Als von einer ausländischen Behörde beauftragte Stellen gelten bspw. Börsen, Meldestellen, Depotbanken, zentrale Gegenparteien, Transaktionsregister oder kotierte Unternehmen (Rundschreiben, Rz. 36).

4. Meldepflicht gemäss Art. 42c Abs. 3 FINMAG

Gemäss Art. 42c Abs. 3 FINMAG bedarf eine beabsichtigte Direktübermittlung von Informationen der vorgängigen Meldung an die FINMA, sofern die Information selbst von derart wesentlicher Bedeutung ist, dass sie auch unabhängig von einer allfälligen Übermittlung eine Meldepflicht an die Schweizer Aufsichtsbehörde auslösen würde (Art. 29 Abs. 2 FINMAG), oder die Übermittlung als solche von wesentlicher Bedeutung ist. Das Rundschreiben nennt in Rz. 47 ff. und Rz. 58 ff. Beispiele für Informationen, deren Übermittlungen vorgängig der FINMA gemeldet bzw. nicht gemeldet werden müssen.

Bei einer Meldepflicht hat die Beaufsichtigte ihrer Ansprechperson bei der FINMA die zu übermittelnden Informationen mitzuteilen sowie die zu übermittelnden Dokumente beizulegen (Rundschreiben, Rz. 70). Nach Eingang der Meldung wird die FINMA der Beaufsichtigten im Regelfall innerhalb von fünf Arbeitstagen Rückmeldung geben, ob sie sich gemäss Art. 42c Abs. 4 FINMAG den Amtshilfeweg vorbehält. Die Frist kann im Einzelfall beispielsweise aus Komplexitätsgründen verlängert werden. Eine Informationsübermittlung im Anwendungsbereich von Art. 42c Abs. 3 FINMAG vor der Rückmeldung der FINMA ist unzulässig (Rz. 71).

5. Umsetzung mittels interner Weisung

Gemäss Rz. 80 f. des Rundschreibens müssen Beaufsichtigte die für die Einhaltung von Art. 42c FINMAG erforderlichen Prozesse in einer internen Weisung regeln, falls Direktübermittlungen für sie von Relevanz sind. Andernfalls kann auf den Erlass einer Weisung verzichtet werden.

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