Der Bundesrat hat am 4. November 2015 die Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) verabschiedet. Das Gesetzesvorhaben wird einen prägenden Einfluss auf die Finanzdienstleistungsindustrie haben. Wir vermitteln einen ersten Überblick.

1. FIDLEG

1.1 Ziele und Anwendungsbereich

Das regelt die Erbringung von Finanzdienstleistungen branchenübergreifend und dem Risiko der Dienstleistung entsprechend. Als Finanzdienstleister gelten Personen, die in der Schweiz oder für Kunden in der Schweiz gewerbsmässig Finanzdienstleistungen erbringen. Das FIDLEG will die geltenden Regeln harmonisieren und bezweckt einen erhöhten Kundenschutz. Gemeinsam mit dem FINIG sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die schweizerischen Rahmenbedingungen in Europa unter der revidierten Europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) als gleichwertig anerkannt werden; dies ist für den künftigen Zugang schweizerischer Finanzdienstleister zum europäischen Markt wichtig.

1.2 Kundensegmentierung

Das FIDLEG orientiert sich am Schutzbedürfnis verschiedener Kundensegmente. Ähnlich wie MiFID II sieht der Entwurf eine Einteilung in Privatkunden, professionelle und institutionelle Kunden vor. Diese Segmentierung ist durchlässig: Kunden können das Schutzniveau somit unter bestimmten Voraussetzungen wechseln („opting-in“ / „opting-out“).

1.3 Ausbildung von Kundenberatern und Beraterregister

Kundenberater von Finanzdienstleistern müssen über das notwendige Fachwissen verfügen und sich weiterbilden. Die Bestimmung der Aus- und Weiterbildungsstandards wird der Selbstregulierung überlassen. Bei fehlender Selbstregulierung legt der Bundesrat die Anforderungen fest. Berater von nicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA unterstellten in- und ausländischen Anbietern sollen sich in ein Kundenberaterregister eintragen lassen. Entgegen dem Vorentwurf vom 27. Juni 2014 sollen Kundenberater von beaufsichtigten Finanzdienstleistern keiner Registrierungspflicht unterstehen, womit der Bundesrat einer im Vernehmlassungsverfahren verschiedentlich geäusserten Kritik Rechnung getragen hat.

1.4 Verhaltensregeln

Die Vorlage enthält eine Reihe von Verhaltensregeln, an welche sich sämtliche Finanzdienstleister unabhängig von ihrem Regulierungsstatus halten müssen. Umfang und Inhalt der Verhaltensregeln folgen den Grundsätzen der Kundensegmentierung. Zunächst sollen die Finanzdienstleister ihre Kunden über die mit der angebotenen Dienstleistung verbundenen Risiken informieren. Weiter werden Finanzdienstleister, welche eine transaktionsbezogene Anlageberatung erbringen, dazu verpflichtet, eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen. Hierzu müssen sie sich über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden erkundigen und vor der Empfehlung von Finanzinstrumenten prüfen, ob diese für den Kunden angemessen sind. Finanzdienstleister, welche in der portfoliobezogenen Anlageberatung oder der Vermögensverwaltung tätig sind, haben sich sodann über die Anlageziele und finanziellen Verhältnisse ihrer Kunden zu informieren und gestützt darauf eine Eignungsprüfung durchzuführen. Schliesslich sollen die Finanzdienstleister ihre Tätigkeiten für die Kunden umfassend dokumentieren.

1.5 Organisatorische Massnahmen

Finanzdienstleister sollen künftig durch eine angemessene Betriebsorganisation die Erfüllung der Pflichten gemäss FIDLEG sicherstellen. Interessenkonflikte sind zu vermeiden oder den Kunden gegenüber offenzulegen. Die Annahme von Entschädigungen Dritter ist zulässig, wenn die Kunden vorher ausdrücklich darüber informiert wurden oder wenn die Entschädigungen an die Kunden weitergegeben werden. Ein Verbot des Einbehalts von Retrozessionen, wie dies MiFID II für Vermögensverwalter vorsieht, enthält das FIDLEG somit nicht. Entgegen dem Vorentwurf wird sich ein Finanzdienstleister, der Drittvergütungen einbehält, auch weiterhin „unabhängig“ nennen dürfen.

Viele der im FIDLEG statuierten Verhaltensregeln lassen sich bereits heute aus den Sorgfalts- und Treuepflichten des Zivilrechts ableiten. Neu ist aber, dass eine Verletzung dieser Pflichten durch überwachte Institute aufsichtsrechtlich sanktioniert werden kann. Für nicht überwachte Finanzdienstleister

geht der Bundesrat davon aus, dass die Verhaltensregeln auf die privatrechtliche Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister ausstrahlen und so zum zivilrechtlichen Standard werden. Schwere Verstösse gegen die Verhaltensregeln werden im FIDLEG sodann strafrechtlich sanktioniert.

1.6 Prospekt und Basisinformationsblatt

Das FIDLEG sieht eine Prospektpflicht für in der Schweiz oder von der Schweiz aus öffentlich angebotene Effekten vor. Der Grundsatz wird von verschiedenen Ausnahmen durchbrochen, wobei auch hier dem Gedanken der Kundensegmentierung Rechnung getragen wird. Für KMUs kann der Bundesrat auf dem Verordnungsweg Erleichterungen vorsehen. Für sämtliche Finanzinstrumente (ausser Aktien), die Privatkunden angeboten werden, ist künftig ein Basisinformationsblatt (BIB) zu erstellen, das den Kunden vorgängig abgegeben werden muss. Wird bei der Auflage von Forderungspapieren ein BIB erstellt, liegt keine gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen im Sinne des Bankengesetzes mehr vor, womit der Bundesrat ein regulatorisches Hindernis beim Crowdlending abbauen will.

1.7 Rechtsdurchsetzung und Ombudsstellen

Der Bundesrat hat gegenüber dem Vorentwurf auf einige umstrittene Instrumente der Rechtsdurchsetzung verzichtet (z.B. Schiedsgericht, Verbandsklage und Gruppenvergleichsverfahren). Neu soll jedoch dem ordentlichen Schlichtungsverfahren, wie es im Zivilprozessrecht vorgesehen ist, ein spezifisches Ombudsverfahren für Finanzdienstleistungen zur Seite gestellt werden. Die Ombudsstelle soll keine Entscheidkompetenz haben, sondern zwischen den Parteien vermitteln. Die Finanzdienstleister werden verpflichtet, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen. Zudem soll das Prozesskostenrisiko für Privatkunden reduziert werden, indem diese von der Pflicht zur Erbringung von Vorschüssen für Gerichtskosten und von Sicherheiten für Parteientschädigungen befreit werden. Finanzdienstleister sollen sodann auch im Fall ihres Obsiegens unter gewissen Voraussetzungen ihre eigenen Prozesskosten selber tragen.

2. FINIG

Das FINIG bezweckt die sektorenübergreifende Regelung der Bewilligungsvoraussetzungen und der weiteren organisatorischen Anforderungen für überwachte Finanzinstitute. Die Bankenaufsicht wird entgegen dem Vorentwurf weiterhin im Bankengesetz geregelt. Jene Vermögensverwalter, die bisher keiner prudenziellen Aufsicht unterstanden, sowie Trustees, welche das Vermögen eines Trusts verwalten oder darüber verfügen, sollen neu von einer von der FINMA zu bewilligenden Aufsichtsorganisation beaufsichtigt werden, wobei allerdings Verwalter von Vorsorgevermögen – gleich wie grössere Vermögensverwalter von Kollektivanlagen – direkt von der FINMA überwacht werden sollen. Personen, die keine solche Kollektivvermögen verwalten, seit mindestens 15 Jahren tätig sind und keine neuen Kunden mehr akquirieren, können ihre Tätigkeit weiterhin bewilligungsfrei ausüben.

Die FIDLEG/FINIG-Vorlage wird nun in den vorberatenden Kommissionen der Eidgenössischen Räte und anschliessend im Parlament behandelt werden. Mit einem Inkrafttreten ist frühestens Ende 2017 zu rechnen. Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.