Erneute Einführung des Zulassungsstopps

Am 21. Juni 2013 hat das Parlament in der Schlussabstimmung der vorübergehenden Wiedereinführung der Zulassungsbeschränkung für Spezialärzte zugestimmt. Der Nationalrat hat diese Massnahme bereits in der Frühlingssession 2013 mit 103 zu 76 Stimmen befürwortet. Der Ständerat hat sich am 5. Juni 2013 mit 25 zu 15 Stimmen bei 1 Enthaltung ebenfalls dafür ausgesprochen. Damit gilt seit dem 1. Juli 2013 wieder ein Zulassungsstopp für Spezialärzte, zunächst befristet auf drei Jahre, wobei es grundsätzlich Sache der Kantone ist, wie sie den Zulassungsstopp umsetzen.

Wer ist betroffen?

Grundsätzlich gilt der Zulassungsstopp für alle Ärztinnen und Ärzte in Privatpraxen, in ärztlichen Instituten und im ambulanten Bereich von Spitälern. Indessen sind nicht alle Ärztinnen und Ärzte gleichermassen vom Zulassungsstopp betroffen. Wie schon früher wird der Bundesrat die Kriterien festlegen, die für den Bedürfnisnachweis massgeblich sind. Neu sollen jedoch die Kantone selber entscheiden können, ob sie von der Regelung Gebrauch machen wollen oder nicht, was je nach Kanton zu unterschiedlichen Konsequenzen für die betroffenen Leistungserbringer führen wird. Kein Bedürfnisnachweis ist erforderlich für Personen, die mindestens drei Jahre an einer schweizerischen Weiterbildungsstätte, z.B. einem Spital, gearbeitet haben (Art. 55a Abs. 2 KVG). Nicht vom Zulassungsstopp betroffen sind auch Ärztinnen und Ärzte, die bereits vor dem 1. Juli 2013 Inhaber einer Zahlstellenregisternummer waren und in eigener Praxis zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig waren.

Begründung der Massnahme

Der Zulassungsstopp ist keine neue Massnahme. Das Parlament hat sich im Hinblick auf die Umsetzung der bilateralen Abkommen mit der EU schon früh besorgt darüber gezeigt, dass es zu einem Zustrom von Ärztinnen und Ärzten aus den europäischen Staaten in die Schweiz kommen könnte. Aufgrund der erwarteten Erhöhung der Zahl der Leistungserbringer wurde ein Kostenschub in der Krankenversicherung befürchtet. Deshalb wurde auf den 1. Januar 2001 ein neu geschaffener Art. 55a in das Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) eingefügt und in Kraft gesetzt. Der Bundesrat erhielt damit die Kompetenz, während eines Zeitraums von maximal drei Jahren die Zulassung der Leistungserbringer zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von einem Bedürfnis abhängig zu machen. Der Bundesrat legte in der Folge für jeden Kanton und jede ärztliche Fachrichtung die Zahl der Leistungserbringer fest, die zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig werden durften.

Mehrfache Verlängerung des Zulassungsstopps

Obwohl ursprünglich als Notlösung gedacht und bloss auf drei Jahre befristet, hat das Parlament am 8. Oktober 2004 eine Verlängerung des Zulassungstopps um weitere drei Jahre beschlossen. Gleichzeitig wurde Art. 55a KVG so angepasst, dass eine Zulassung verfiel, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist von ihr Gebrauch gemacht wurde. Danach wurde die Zulassungsbeschränkung auf dem Weg der dringlichen Gesetzgebung ein zweites Mal verlängert und präzisiert, so dass sie für die Zulassung sowohl von selbständig und unselbständig tätigen Leistungserbringern gilt. Letztmals wurde der Zulassungsstopp im Jahr 2009 verlängert, wobei die Bestimmung so ergänzt wurde, dass neu auch Spitalärzte von der Beschränkung erfasst wurden. Erst am 31. Dezember 2011 ist die Zulassungsbeschränkung ausgelaufen, obwohl sie bei ihrer Einführung im Jahr 2001 als bloss dreijährige, provisorische Massnahme gedacht war. Durch die mehrfache Verlängerung des Zulassungsstopps wollten sich Bundesrat und Parlament die notwendige Zeit geben, um langfristig wirksame Lösungen zur Kosteneindämmung im Gesundheitswesen zu finden. Gleichwohl wurden während der 11-jährigen Geltungsdauer des Zulassungsstopps keine nachhaltigeren Lösungen gefunden, die zu einer Kostensenkung beitragen würden.

Entwicklung seit Ende des Zulassungsstopps

Seit dem Auslaufen des Zulassungsstopps am 31. Dezember 2011 verfügen die Kantone über kein Instrument mehr, um das Angebot im ambulanten medizinischen Bereich zu steuern. Seit diesem Zeitpunkt haben die Gesuche um Erteilung einer Zahlstellenregisternummer deutlich zugenommen. Die Zahl der zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung ab-rechnenden Leistungserbringer stieg allein im Jahr 2012 um 8,6 Prozent an. Aus diesem Grund hat der Bundesrat das Parlament bereits im November 2012 darum ersucht, den Zulassungsstopp für Spezialärzte erneut einzuführen.

Problematik der Zulassungsbeschränkung

Die erneut eingeführte Massnahme wirft zahlreiche rechtliche und politische Bedenken auf. Die Gegner der Zulassungsbeschränkung kritisieren generell den wenig liberalen und protektionistischen Charakter dieses Instruments, da es jüngeren Ärztinnen und Ärzten erschwert wird, eine eigene Praxis zu eröffnen, während die bestehenden Spezialärzte mit eigener Praxis in ihrem Besitzstand geschützt werden. Es geht aber auch um die Frage, ob der Zulassungsstopp für Spezialärzte eine unzulässige indirekte Diskriminierung von Ärztinnen und Ärzten aus den EU/EFTA-Mitgliedstaaten darstellt, die nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU vereinbar ist. Im Zentrum steht hier die Regelung, wonach der Zulassungsstopp nicht für Personen gelten soll, die mindestens drei Jahre an einem anerkannten schweizerischen Spital gearbeitet haben. Selbst wenn der Zugang zu diesen Institutionen auch Ausländern aus den EU/EFTA-Staaten offensteht, werden sie von dieser Anforderung stärker betroffen als Schweizer Ärztinnen und Ärzte. Eine solche Differenzierung könnte sowohl mit dem Freizügigkeitsabkommen sowie mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit im Konflikt stehen. Für die Befürworter rechtfertigt sich dieses neue Erfordernis hingegen aus Gründen der Qualitätssicherung, der Integration der ausländischen Leistungserbringer in das schweizerische Gesundheitswesen sowie den Bestrebungen, den Anstieg der Gesundheitskosten und damit der Krankenkassenprämien zu bremsen.

Mögliche Auswirkungen

Mit dem Inkrafttreten des erneuerten Zulassungsstopps am
1. Juli 2013 wird es für Spezialärzte, die noch über keine kantonale Praxisbewilligung und keine Zahlstellenregister-nummer verfügen, schwieriger sein, eine eigene Praxis zu eröffnen und neu zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen zu werden.

Eine Praxiseröffnung wird weiterhin möglich sein, wenn der jeweilige Kanton ein Bedürfnis nach zusätzlichen Spezialärzten einer bestimmten Fachrichtung feststellt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine bestehende Arztpraxis inklusive Zahlstellenregisternummer zu übernehmen. In den kommenden Jahren werden viele Ärztinnen und Ärzte das Pensions-alter erreichen und eine Nachfolge für ihre Arztpraxen
suchen. Deshalb ist zu erwarten, dass insbesondere jüngere Ärztinnen und Ärzten diesen Weg wählen werden. Auf jeden Fall ist es dringend zu empfehlen, vor der Praxisübernahme mit einem Rechtsanwalt und der zuständigen kantonalen
Behörde eingehend abzuklären, ob und unter welchen Bedingungen die Zulassung auf einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin der gleichen Fachrichtung übertragen werden kann.

Gerne sind wir bereit, Sie zu sämtlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem erneut eingeführten Zulassungsstopp zu beraten. Unser Expertenteam für Arzt- und Gesundheits-recht steht Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.