Das Bundesgericht hat im Urteil 4A_436/2016 vom 7. Februar 2017 zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit Vertragsverletzungen in der Vermögensverwaltung Stellung genommen. Der Entscheid lässt eine tendenziell härtere Haltung gegenüber Pflichtverletzungen von Vermögensverwaltern erkennen.

1. Sachverhalt und Prozessgeschichte

Die Klägerin, eine panamaische Holdinggesellschaft, liess ihr Vermögen durch die Beklagte, eine in Zürich domizilierte Vermögensverwalterin, gestützt auf einen am 5. November 2004 abgeschlossenen Vertrag verwalten. Mit Klage vom 1. November 2011 verlangte die Klägerin Schadenersatz wegen mehrfacher Verletzungen des Vermögensverwaltungsvertrags. Im Wesentlichen machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe die vereinbarte „ausgewogene“ Anlagestrategie durch eine überhöhte Aktienquote, den Aufbau von Klumpenrisiken in Emerging Marktes-, Rohstoffanlagen und Spezialwerten sowie durch Erwerb illiquider Anlagen missachtet. Weiter beanspruchte sie die Herausgabe unrechtmässig einbehaltener Retrozessionen.

Mit Urteil vom 10. Juni 2016 hiess das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage teilweise gut und verpflichtete die Beklagte zur Weiterleitung der Retrozessionen sowie zur Bezahlung von Schadenersatz aus Vertragsverletzung.

Gegen dieses Urteil führten beide Parteien beim Bundesgericht Beschwerde; die Klägerin, weil der ihr zugesprochene Schadenersatz aus Vertragsverletzung nur rund einen Drittes des eingeklagten Betrags ausmachte, die Beklagte, weil sie eine Vertragsverletzung gänzlich bestritt. Mit Bezug auf die Retrozessionen wurde das Urteil des Handelsgerichts von keiner Partei angefochten.

2. Entscheid

Das Bundesgericht wies beide Beschwerden ab und schützte das handelsgerichtliche Urteil auf der ganzen Linie. Zusammenfassend ergeben sich folgende Kernpunkte:

Kundenprofil und Vertragsauslegung

Das Handelsgericht kam bei seiner Vertragsauslegung zum Schluss, dass die Parteien eine auf „Substanzerhaltung und Erzielung von Kapitalgewinn“ ausgerichtete und somit eine „ausgewogene“ Anlagestrategie vereinbart haben. Die Beklagte warf dem Handelsgericht vor, sich bei der Vertragsauslegung auf die gemäss Kundenprofil beschränkte Risikobereitschaft des an der Klägerin wirtschaftlich Berechtigten gestützt zu haben. Das Bundesgericht führte dazu aus, das Kundeprofil diene der Vorbereitung des Vertragsschlusses und sei die Grundlage für die Bestimmung der Anlagestrategie (vorvertragliche Pflicht). Werde die Strategie von den Parteien wie im vorliegenden Fall ausdrücklich und klar festgelegt, sei das Kundenprofil bei der Vertragsauslegung nicht mehr zu berücksichtigen. In casu konnte das Bundesgericht eine unzulässige Mitberücksichtigung des Kundenprofils bei der Vertragsauslegung durch die Vorinstanz nicht erkennen (E. 3.2 und 3.3.3.3).

Asset Allocation

In einem Anhang zum Vermögensverwaltungsvertrag bestimmten die Parteien die Bandbreiten für die verschiedenen Anlageklassen. Diese Asset Allocation hätte die Verfolgung einer dynamischeren und somit risikoreicheren Anlagestrategie ermöglicht. Gemäss Bundesgericht bleibt aber die vereinbarte Strategie massgeblich. An diese habe sich der Vermögensverwalter zu halten und sicherzustellen, dass die „Anlagen in den angegebenen Limiten insgesamt die definierte Anlagepolitik abbilden“. Insofern dienen die Bandbreiten lediglich der Konkretisierung der Anlagestrategie und führen nicht zu deren Veränderung (E. 3.3.3.2).

Illiquide Titel

Das Handelsgericht kam zum Schluss, dass eine Anlage unter anderem dann ohne weiteres illiquide (und nicht im Sinne der Richtlinien der Bankiervereinigung für Vermögensverwaltungsaufträge banküblich) sei, wenn die für einen Kunden erworbene Stückzahl das durchschnittlich gehandelte Tagesvolumen übersteigt. Mit dieser Feststellung habe die Vorinstanz gemäss Bundesgericht kein Bundesrecht verletzt (E. 3.4.3).

Genehmigung

Die Beklagte vertrat die Auffassung, der wirtschaftlich Berechtigte der Klägerin sei über die getätigten Anlagen aufgrund von Depotauszügen und Halbjahresberichten, schriftlichen Reports sowie Besprechungen jederzeit im Bild gewesen und habe diese daher für die Klägerin genehmigt.

Das Bundesgericht führte dazu aus, dass ein Vermögensverwalter seinen Kunden unaufgefordert über die mit dem Geschäft verbundenen Risiken aufzuklären habe, sofern dies aufgrund des Kenntnisstands und der Erfahrungen des Kunden sowie der Komplexität der in Frage stehenden Anlagen oder Strategie notwendig sei. Andernfalls könne der Kunde keine wirksame Genehmigung erteilen. Verlangt wird daher eine – wie die Vorinstanz ausführte – „informierte Genehmigung“. Beim wirtschaftlich Berechtigten der Klägerin, auf dessen Kenntnisse und Erfahrungen es vorliegend ankam, handelte es sich nach den Feststellungen des Handelsgerichts um einen in Börsen- und Anlagefragen nicht sachkundigen „interessierten Laien“, der über die beanstandeten Abweichungen von der vereinbarten Anlagestrategie detailliert hätte aufgeklärt werden müssen. Diese Aufklärung sei – wie vom Handelsgericht festgestellt – nicht erfolgt (E. 4).

Die Beklagte warf der Klägerin vor, diese treffe ein Selbstverschulden, wenn sie sich durch eine in Börsen- und Anlagefragen nicht sachkundige Person vertreten lasse. Auch dieser Einwand wurde vom Bundesgericht verworfen (E. 4.6.2).

Schadensberechnung

Das Bundesgericht bestätigte die Schadensberechnung der Vorinstanz. Nicht das Gesamtvermögen der geschädigten Person, sondern das im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrags übergebene sei massgebend. Sodann sei zwischen den Fällen zu differenzieren sei, in welchen dem Vermögensverwalter eine Schädigung allgemein durch Verfolgung einer pflichtwidrigen Anlagestrategie (sorgfaltswidrige Verwaltung des gesamten Portfolios) oder durch pflichtwidrige Einzelanlagen (sorgfaltswidriges Verhalten im Zusammenhang mit einzelnen Posten des Portfolios) vorgeworfen werde. Die Vorinstanz habe zu Recht eine Schädigung allgemein durch Verfolgung einer pflichtwidrigen Anlagestrategie angenommen. In diesem Fall werde der Schaden durch den Vergleich des Saldos des tatsächlich verwalteten Vermögens mit einem hypothetisch während derselben Periode vertragskonform verwalteten Portefeuille ermittelt.

Das Bundesgericht führte weiter aus, die Vorinstanz habe für die Ermittlung des hypothetischen Vermögensstands richtigerweise auf zwei Vergleichsfonds, welche die Klägerin vorgeschlagen und deren durchschnittliche Performance sie berechnet hat, abgestellt. Die Klägerin habe damit ihrer Behauptungs- und Beweispflicht genüge getan. Die Beklagte hätte mittels Gegenbeweises die „Repräsentativität“ der Fonds in Frage stellen und mittels konkreter Berechnungen den von der Klägerin behaupteten Schaden bestreiten müssen. Letzteres habe die Beklagte nicht getan, weshalb die Beweiswürdigung des Handelsgerichts nicht zu beanstanden sei (E. 5.3.2).

Die Klägerin verlangte, den Schaden aufgrund der seit Juni 2007 eingetretenen Kursverluste zu berechnen, da damals das Risiko in ihrem Depot „exponentiell“ erhöht worden sei. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, der Schaden sei über die gesamte Vertragsdauer seit Ende 2004 bis Ende 2011 zu berechnen. Es gehe nicht an, „einen Zeitpunkt zum Ausgangspunkt zu nehmen, zu dem der Wert des Depots infolge ausserordentlicher Gewinne [….] am höchsten gewesen sei und von dort den Verlust zu berechnen“ (Urteil des Handelsgerichts, E. 3.6.1b). Handels- und Bundesgericht folgten der Argumentation der Beklagten, da eine „erste Pflichtverletzung“ nicht festgestellt werden könne, was sich auch aus Ausführungen der Klägerin, die pflichtwidrige Verwaltung sei „schleichend“ erfolgt, ergebe (E. 5.2.1).

Die Rüge der Klägerin, die vom Handelsgericht zugrunde gelegte Schadensperiode führe dazu, dass Erträge aus der pflichtgemässen Verwaltung an die Verluste aus der pflichtwidrigen Verwaltung angerechnet werden, wies das Bundesgericht als unbegründet ab: Die Frage der Vorteilsanrechnung stelle sich in casu nicht, weil nicht die Pflichtwidrigkeit von Einzelanlagen, sondern der gesamten Vermögensverwaltung zu beurteilen und der Schaden aufgrund eines Gesamtportfoliovergleichs zu ermitteln sei (E. 5.2.3).

3. Kurzbeurteilung

Das Urteil des Bundesgerichts festigt die Rechtsprechung in den behandelten Bereichen und enthält insbesondere einige klärende Ausführungen zur Auslegung von Vermögensverwaltungsverträgen, zur Schadensberechnung und zur Genehmigung von Vertragsverletzungen.

Mit Bezug auf den letzten Punkt entfaltet das Urteil unserer Ansicht nach die grösste Wirkung, wird doch festgehalten, dass die Zustellung von Depotauszügen, (Halb-) Jahresberichten und dergleichen für eine konkludente Genehmigung getätigter Anlagen nicht ausreicht, wenn der Kunde in Anlagefragen nicht über „fundierte Kenntnisse“ verfügt. Wie eingangs erwähnt, beanstandete die Klägerin hauptsächlich, die Beklagte sei übermässige Klumpenrisiken eingegangen, habe eine zu grosse Aktienquote aufgebaut und in illiquide Titel investiert. Eine Risikoeinschätzung zumindest der ersten zwei Punkte sollte auch von einem „interessierten Laien“ ohne zusätzliche Aufklärung und aufgrund einer selbständigen Analyse der erhaltenen Unterlagen erwartet werden können. Das Handelsgericht und mit ihm das Bundesgericht waren anderer Auffassung und erhöhen so die Anforderungen an die Risikoaufklärung durch Vermögensverwalter.

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